Eindrücke aus der heilpädagogischen Arbeit in Tiblissi (Georgien)
Die Michaelschule und das Pädagogische Zentrum
Biegt man im richtigen Moment am Rande der Innenstadt von Tiblissi durch ein großes Hoftor ab, so landet man vor einem rosa farbigen Wunder: der Michael Schule – einer heilpädagogischen Waldorfschule.
Genau dieses Wunder der Architektur kann auch ein Verhängnis sein. Wenn jemand von der staatlichen Aufsichtsbehörde in Georgien kommt und die finanziellen Probleme der Schule thematisiert werden, begegnen die InitiativträgerInnen immer wieder einem problematischen Missverständnis: Über die Jahre ist der Eindruck entstanden, dass die Schule komplett aus deutschen Mitteln finanziert würde und sogar die SchülerInnen umsonst beschult werden. Tatsache ist aber, dass die einzige zuverlässige dauerhafte finanzielle Unterstützung aus dem Ausland – ein regelmäßiger Zuschuss zu den sehr geringen Gehältern der Lehrkräfte – von den Freunden der Erziehungskunst gespendet wird. Und auch dieser muss Jahr für Jahr neu beantragt werden.
Die Grundgehälter der Lehrkräfte schwanken von Monat zu Monat, da die öffentliche Erstattung der Schulgebühren für die Kinder von der Anwesenheit abhängt. Für jeden Tag, an dem ein Kind nicht da ist, fehlt der Schule Geld. Wenn eine Kältewelle ist und die Heizung auch noch ausfällt, Kinder krank sind u. ä. müssen aber trotzdem der Strom, das Wasser, die Hauswirtschaft, die LehrerInnen anwesend und bezahlt werden. Daher hat jede/jeder LehrerIn mindestens noch einen zweiten Job oder jemanden, der ein gutes Einkommen hat in der Nähe.
Auch das Gebäude ist renovierungsbedürftig: Im Eurythmiesaal regnet es seit langem durch. Auch für einen Aufzug für die RollstuhlfahrerInnen wäre Bedarf. Ebenso, wie das Gebäude insgesamt eine Renovierung benötigt ist es auch so, dass die Gehälter der LehrerInnen nicht beständig sind. Erschwerend hinzu kommt, dass die Regierung aktuell gewechselt hat und es sich noch nicht abzeichnet, ob die Bildungspolitik sich damit verbessert für eine so besondere Schule wie die Michaelschule.
Obwohl die Schule einen Status als gemeinnützig erhält, muss sie Steuern und Abgaben wie ein Wirtschaftsunternehmen zahlen – das sind die georgischen politischen Widersprüche, egal unter welcher Regierung. So wollte die Schule einen kleinen Verkauf von eigenen Bäckereibackwaren betreiben. Das scheiterte, weil die Steuer auf die Backware so hoch ist, dass kein Gewinn für die Einrichtung bleibt.
Während der Therapie- und Förderbereich und auch das Heilpädagogische Seminar sich gerade so einigermaßen stabil finanzieren lassen, ist die Lage für die Schule äußerst prekär.
Daher ein Spendenaufruf:
Bitte helfen Sie mit, dass die Schule nicht geschlossen werden muss. Senden Sie eine Spende an den Anthroposophic Council for Inclusive Social Development, mit dem Stichwort „Michaelschule Tiflis“. Der Council wird diese direkt an die Schule weiterleiten.
Das heilpädagogische Seminar
Wenn man diese ganzen Schwierigkeiten hinter sich lässt und nachmittags nach dem regulären Schulunterricht in den Seminarraum kommt, sitzen dort ungefähr 20 aufmerksame ZuhörerInnen und freuen sich auf den fachlichen Input, den sie innerlich beteiligt aufnehmen. Es ist eine Lerngruppe aus LehrerInnen der Michaelschule, Fachleuten aus befreundeten Einrichtungen, Kolleginnen eines von katholischen Nonnen geführten Kinderheims und den aktuellen sogenannten Bundesfreiwilligen aus Deutschland, die durch die Freunde der Erziehungskunst entsendet werden.
Ich habe über zwei Seminartage das Thema „Selbstfürsorge mit Eurythmieübungen“ angeboten und wir kamen immer wieder an die Grenzfrage: Wie soll ich für mich sorgen, wenn die Existenzängste Monat für Monat aufflammen? Was bedeutet es, für mich zu sorgen, wenn die Realität solche Widrigkeiten aufzeigt? Was können wir tun, was konnte ich beitragen, außer immer wieder die Stärke des inneren Impulses lebendig zu machen, das Vertrauen zum Entwicklungsprozess der Kinder und die damit verbundene Wertschätzung einer diversen Gesellschaft. Und wie können wir die anthroposophischen Grundlagen unserer Arbeit als Kraft- und Inspirationsquelle dafür erschließen?
Denn die Stärkung von Diversität ist ein virulentes Thema in der jungen georgischen Gesellschaft. Zum Glück!
(Sonja Zausch im Februar 2019)