Besuch in Chisinau vom 3.–7.4.2023
Besuch in Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldawien, vom 3.–7.4.2023
Ein Bericht von Sonja Zausch
Ein Land, das zwischen dem Osten und dem Westen liegt und genau den politischen Übergang mit seinen globalen Herausforderungen aufzeigen kann.
Kulturell, politisch historisch und wegen des aktuellen Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine sind hier konstant Veränderungs- und Anpassungsprozesse vonnöten. Es leben ca. 60 % rumänisch sprechende Moldawier:innen und ca. 30 % Russ:innen in dem zwei Millionen Menschen umfassenden Land.
Der Bürgermeister von Chisinau, der Hauptstadt, ist ein beliebter Politiker und Optimist mit dem Schwerpunkt der Unterstützung der sozialen Organisationen und der Förderung von Kindern – das könnte unsere Initiativen und Anliegen unterstützen.
Die «Waldorfschule Moldova» am Nordrand der Hauptstadt wurde ziemlich bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von einem Ehepaar gegründet, das die Waldorfpädagogik über die Kindergartenbewegung kennen gelernt hatte.
Heute ist es eine doppelzügige staatliche inklusive Schule mit 690 Schulkindern und 50 Kindergartenkindern.
Sie ist vollständig im städtischen Schulwesen integriert und das Alleinstellungsmerkmal ist für viele Eltern erst spürbar, wenn sie die Schule betreten. D. h. viele Eltern bringen die Kinder nicht bewusst in eine Waldorfschule, sondern einfach zur Schule. Ähnlich verhält es sich mit die Lehrer:innen. Sie haben häufig keine waldorfpädagogische Ausbildung und das nächste Lehrer:innen-Seminar ist in Bukarest (Rumänien), bzw. war vor der aktuellen Situation in Odessa (Ukraine).
Von vielen Lehrer:innen ist eine große Offenheit zur Waldorfpädagogik zu erleben und bei meinem Vortrag mit Übungen zum Thema «Was ist und was bedeutet die Eurythmie in der Waldorfpädagogik» waren ca. 50 interessierte Lehrer:innen und Eltern anwesend. Ebenso konnten bei einem dreimaligen Workshop zur Erfahrung der Eurythmie mit Erwachsenen («Sozialeurythmie») ca. 25 Lehrer:innen mit Übungen zur Selbstverantwortung reflektieren, welche Wirkung Eurythmie auf das Individuum im Verhältnis zum sozialen Organismus entfalten kann.
In diesem Workshop machten wir kleine Bewegungsübungen, angelehnt an die Eurythmie, die die Lehrer:innen in den Schulalltag in verschiedenen Klassenstufen einbauen können.
Bedürfnisse nach weiterem Lernen und Integrieren der Eurythmie in den Schul- und Kindergartenalltag wurden angesprochen. Leider gibt es keine Eurythmiekolleg:innen, die in der inklusiven Waldorfschule regelmäßig unterrichten – sehr zum Bedauern der Kolleg:innen dort.
In der Woche meines Besuches veranstaltete die Schule eine «Woche der Eurythmie». Dazu trug, neben meinen Beiträgen, ein junges rumänisch-japanisches Ehepaar bei, die wochenweise zu Waldorfschulen und Kindergärten quer durch Rumänien und Moldawien reisen. Sie unterrichten in Klassen und führen drei Bühnenprogramme gemeinsam mit einem rumänischen Schauspieler für verschiedene Altersstufen auf: «Rotkäppchen» von den Gebrüdern Grimm für die Unterstufe, eine japanische Legende für die Mittelstufe und ein Abendprogramm mit dem Nationalepos vom Schäfchen Miorița. Das war ein großes künstlerisches Geschenk für die Schulgemeinschaft.
Ein weiterer Anlass der Reise war, einen neuen Impuls für ein dreijähriges Seminar zur anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie zu implementieren.
Olga Cebotarenco, die Delegierte des Councils aus Moldawien, Heilpädagogin an der Waldorfschule, hat ein erstes russischsprachiges und länderübergreifendes (russischsprachige Länder) Seminar «KRUG» selbst besucht, und möchte nun in Moldawien diese Arbeit weiter verbreiten und vertiefen. Es hat sich bereits eine Gruppe von ca. 20 Menschen gefunden, die ab Sommer ein vom Council zertifiziertes Seminar wünschen.
Ich habe an einem Abend für die Interessierten einen Einführungsvortrag gehalten: Anthroposophie und Heilpädagogik. Die meisten Interessierten sind aus staatlichen Einrichtungen und wünschen ein erweitertes Lernen zur anthroposophischen Heilpädagogik. So wie in anderen Ländern suchen sie ganzheitlichere Betrachtungen und inklusivere Formate für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Der anthroposophische triale Ansatz ist daher gefragt.
Ich habe auch versucht, die Frage nach der Sozialtherapie und der Qualität von anthroposophischen inklusiven Gemeinschaften zu platzieren, aber hier habe ich Bedenken wahrgenommen, die mir auch auf anderen Reisen in Ländern, wo einerseits das religiöse Leben sehr prägend ist und andererseits der Wert der Familie im Mittelpunkt des sozialen Lebens und der biografischen Entwicklung stehen, bereits begegnet sind.
Hier wäre zu wünschen, dass vorhandene regionale Aktivist:innen, z. B. aus einem Eco-Village, Demeter-Bauern o. ä., mit alternativen inklusiven Impulsen ein Netzwerk bilden, das in der Zukunft auch inklusive Lebensorte anbieten könnte.