Im Gedenken an Renate Sleigh (3.12.1930-3.7.2020)

Im Gedenken an Renate Sleigh (3.12.1930-3.7.2020)

Renate Sleigh, die Pionierin der Camphill-Bewegung in Afrika, ist am 3. Juli 2020 im Alter von 89 Jahren in Kapstadt verstorben. In grosser Dankbarkeit für ihren lebenslangen Einsatz für den Gemeinschaftsbildungsimpuls der Camphill-Bewegung und die anthroposophische Heilpädagogik und Sozialtherapie dürfen wir mit Ihnen hier zwei Texte teilen: eine biografische Skizze von Anne Weise sowie eine Betrachtung von James Sleigh, die den Lebensimpuls von Renate Sleigh in den Kontext des 80-jährigen Jubiläums der Camphill-Bewegung stellt.

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80 Years of Camphill (James Sleigh, Englisch)

Renate Sleigh (Anne Weise, Deutsch)

 

80 Jahre Camphill

(James Sleigh, Juli 2020)

Renate Sleigh, 89, blickt aus ihrem Fenster über ihren Rasen zu einem Engel in ihrem Garten, der an der Spitze eines Wasserspiels steht. Das Geräusch des sich kaskadenartig herabstürzenden Wassers gesellt sich zu dem Duft, der von frisch geschnittenen Rosen im Raum herüberweht. Renate sitzt elegant gekleidet in einem weißen Jersey, einem türkisfarbenen Schal, an dem eine silberne Brosche befestigt ist.

Hätte sie sich als neunjähriges Mädchen vor 80 Jahren vorstellen können, als sie mit ihrer Mutter und drei jüngeren Geschwistern in einem bescheidenen Gebäude im Norden Schottlands Zuflucht suchte – ohne Strom und fließendes Wasser –, dass ihre Familie und die Menschen, mit denen sie zusammen war, Pionierarbeit für eine Organisation leisten würden, die sich über die ganze Welt ausdehnen und das Leben von Millionen von Menschen berühren würde?

Vor achtzig Jahren hing in diesem Monat der Beginn der Camphill-Bewegung in der Schwebe: In der Nähe von Aberdeen in Schottland war ein Haus für die erste Camphill-Schule gekauft worden. Die Familie König und einige Pioniere, zusammen mit einigen Kindern mit Behinderungen, lebten in einem provisorischen Wohnhaus und warteten darauf, in ihr neues Heim einzuziehen und die Initiative zu starten, die Karl König und einige seiner Anhänger geplant hatten. Doch nur wenige Wochen vor dem Umzug, der den offiziellen Beginn der Bewegung markierte, wurden alle Männer zusammengetrieben und für ein Jahr auf der Isle of Man interniert. Sie waren alle Ausländer, und als die Schlacht um England begonnen hatte, sorgten die britischen Streitkräfte dafür, dass keine Ausländer dem Feind irgendwelche Informationen liefern konnten.

Die Handvoll Frauen hatten die Wahl: Warten, bis die Männer zurückkehrten, oder den Schritt machen und das erste Camphill ohne sie beginnen. Sie beschlossen, den Schritt zu wagen …

Und so errichteten diese starken Frauen 1940 das erste Camphill, und die Männer schlossen sich ihnen an, als sie ein Jahr später freigelassen wurden. Die Schule entwickelte sich und ein Dorf wurde gegründet. Als sie begannen, der Forderung nach einer Organisation nachzukommen, die sich nicht nur um Menschen mit Behinderungen kümmert, sondern sie in allen Bereichen ihres Lebens befähigt, entstanden immer mehr Dörfer.

Damals waren in Europa Menschen mit Behinderungen die am meisten gefährdeten Menschen. Damals waren die einzigen Betreuungsstätten für Menschen mit geistiger Behinderung große Heime. Hitler befahl die Tötung von Menschen mit einer Behinderung, da er sie als «unrein» betrachtete, so dass jeder mit einer Behinderung in einem von den Nazis geführten oder eroberten Land aus Angst vor der Tötung versteckt wurde.

Die Notwendigkeit einer Organisation wie Camphill breitete sich nach dem Krieg in Europa aus. Von dort aus führten die Pioniere die Camphill-Bewegung nach Afrika, Amerika, Skandinavien und in jüngerer Zeit auch nach Osteuropa, Russland und Asien.

Heute gibt es weltweit 120 Camphills.

Die Camphill-Bewegung hat sich nicht nur um Menschen mit Behinderungen gekümmert, sondern auch für Gemeinschaften gesorgt, in denen Menschen zusammen leben und arbeiten und sich dabei selbst besser erkennen und verstehen, indem sie Brüderlichkeit und eine neue Art von Wirtschaft praktizieren.

Die meisten Camphills haben sich verpflichtet, die Erde zu pflegen und den Boden für ihre Landwirtschaft zu bebauen. Sie produzieren Produkte, die frei von Pestiziden und Chemikalien sind, und bauen gesunde Produkte an, um ihre Camphill-Gemeinschaften und auch ihre weiteren Gemeinschaften zu ernähren und zu versorgen.

Die Saat von Camphill, die vor 80 Jahren gepflanzt wurde, ist auf der ganzen Welt gewachsen und aufgeblüht. Das Buch «Candle on the Hill» beschreibt dieses erste Camphill in Schottland als die Mutterkerze, aus der heute, 80 Jahre später, auf der ganzen Welt Lichter entzündet wurden.

Von dieser ursprünglichen Pioniergruppe in Schottland sind nur Renate und ihr Bruder Andrew, der heute in Kanada lebt, noch am Leben. Es war Renate, die mit ihrem Mann Julian und einigen anderen Pionieren Camphill nach Südafrika brachte.

Auf die Schönheit, die Sie geschaffen haben, zu blicken und zu wissen, dass Ihre Arbeit das Leben von Millionen von Menschen berührt hat, ist wahrscheinlich eines der reichsten Gefühle, die man haben kann – und eines der größten Gefühle der Erfüllung, die man sich wünschen kann. Dennoch bleibt Renate bescheiden. Sie kennt und liebt jeden Bewohner unseres Camphill. Sie behandelt sie mit größtem Respekt, liest den Älteren vor und weiß um das Wohlergehen jedes Einzelnen von ihnen. Sie ist wirklich immer noch die Mutter von Camphill und eine der Mütter der größeren Camphill-Bewegung.

Damals, als die Camphills in Südafrika Schwierigkeiten hatten, schlossen sich die Gründerinnen in den verschiedenen Camphills zusammen, und jede von ihnen pflanzte in einem stillen Zeichen der Unterstützung füreinander Rosen an. Wenn ich diese Rosen in Renates Zimmer rieche, stelle ich mir diese starken Frauen vor, die ihre Rosen unter harten Bedingungen pflegen, mit dem Vertrauen, dass aus diesen trockenen und dornigen Zweigen immer wieder neue Rosen hervorgehen würden.

Das Bild der Rose fühlt sich symbolisch für Camphill an – diesen schönen, reichhaltigen, nährenden Raum, der aus einer der dornigsten und stacheligsten Zeiten der Geschichte entstanden ist.

 

Renate Sleigh

(Anne Weise, Juli 2020)

Renate Sleigh ist am 3. Juli 2020 mit 89 Jahren in Cape Town verstorben. Sie gründete gemeinsam mit ihrem Mann die erste Camphill-Gemeinschaft in Afrika, war Mutter von fünf Kindern und noch vieles mehr.

Die Eltern von Renate Sleigh haben sich in im November 1927 in der Schweiz, genauer in Arlesheim in der Klinik von Ita Wegman kennengelernt, als sich beide dort weiter ausbilden wollten. Sie waren schicksalshaft am gleichen Tag angekommen, übernachteten im gleichen Haus und besuchten gemeinsame Veranstaltungen. Mathilde Maasberg, die Mutter, war von dem kleinen heilpädagogischen Heim Waldhaus Tannenberg gekommen. Sie war gelernte Krankenschwester und entstammte einer Familie, die tief in einer christlichen Herrnhuter Brudergemeinde in Schlesien begründet war. Der Vater, Karl König aus Wien, hatte gerade seine medizinischen Studien abgeschlossen und war von Ita Wegman als Assistenzarzt ans Klinisch-Therapeutische Institut gerufen worden, und sammelte außerdem Erfahrungen im heilpädagogischen Heim Sonnenhof. Er kam aus einer Familie, die im orthodoxen Judentum im damaligen Österreich-Ungarn verankert war. Nach einigem Kennenlernen bat Mathilde, genannt Tilla, Karl, ob er als Arzt nach ihrer sehr kranken Schwester schauen könnte. Bei diesem Besuch lernten sich die beiden näher kennen und lieben. Karl König wurde von Albrecht Strohschein gefragt, ob er als Arzt für das Heim arbeiten und das neue Institut mitgründen wollte. Nachdem ihnen und Albrecht Strohschein von der Familie van Jeetze das Schloss Pilgramshain für heilpädagogische Arbeit angeboten wurde, sagte Karl König zu. Später meinte er, dass seine Entscheidung wegen Tilla so schnell gefallen war. Die Arbeit in Pilgramshain begann im September 1928, und am 5. Mai 1929 wurden beide von dem Christengemeinschafts-Priester Emil Bock getraut. Renate, ihr erstes Kind, ist am 3. Dezember 1930 in Pilgramshain geboren. Die Eltern schrieben ein liebevolles Tagebuch für ihr Baby, in dem sie immer wieder ihre Gedanken, Entwicklungsschritte oder kleine Briefchen an Renate schrieben und Fotos einklebten. Sie durfte in diesen frühen Jahren behütet aufwachsen. Die Familie hatte ein kleines Haus auf dem weitläufigen Grundstück des Schlosses, in dem Seelenpflege-bedürftige und verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche lebten. Zwei Jahre später wurde ihr Bruder Christoph geboren und wieder etwa zwei Jahre später, 1935, ihr Bruder Andreas.

In der Zwischenzeit hatten sich die Wolken verfinstert. Hauptsächlich wegen seiner jüdischen Herkunft war Karl König gezwungen, im März 1936 das damals deutsche Pilgramshain zu verlassen. Zunächst war die Zukunft ungewiss und die Situation schwierig. Die Mutter blieb mit den drei kleinen Kindern übergangsweise bei Freunden in Tschechien, Renate war nun 5 Jahre alt. Aber bald konnte die Familie in Wien eine neue, Schritt für Schritt erfolgreiche Existenz aufbauen, Karl König arbeitete als Arzt in eigener Praxis. Und eine Schwester, Veronika, kam im März 1937 zu der Familie hinzu. Aber nur ein Jahr nach ihrer Geburt, im März 1938, wurde Österreich und damit Wien, an das Deutsche Reich angeschlossen. Hitler marschierte in Wien ein und wurde begeistert empfangen. Wieder war die jüdische Herkunft Karl Königs der Grund, dass er seinen Heimatort verlassen musste. Im August 1938 floh er über die Berge nach Italien und fand zunächst Unterschlupf bei Freunden. Und er suchte und versuchte, irgendwo musste eine neue Existenz für seine Familie aufgebaut werden! Aber nicht nur für sie. Wieder war unklar, wie das Leben weitergehen würde. Tilla und die vier kleinen Kinder waren noch nicht in direkter Gefahr. Zunächst in Wien, dann im Elternhaus in Schlesien, hoffte Tilla mit den Kindern auf eine Lösung. Sie und ihre Freunde, die meisten ebenfalls jüdischer Herkunft, wollten im Exil eine heilpädagogische Arbeit beginnen. Hitlers Schergen haben Menschen mit Behinderung erst in Heimen weggesperrt und dann oft als sgenanntes «unwertes Leben» getötet. In dem gemeinsam geplanten heilpädagogischen Heim aber sollte ein menschenwürdiges Leben und Arbeiten für sie möglich sein. Dafür wurde der Gruppe in Schottland ein Haus angeboten. Dort konnten sie wohnen und versuchen, ihre Ideale umzusetzen, alle erhielten ein Visum. Vier Monate nach seiner Flucht konnte Karl seine Familie zunächst nach London holen. Am 30. März 1939 zogen dann die Frauen und Kinder der Gruppe ins Kirkton House in den schottischen Bergen bei Insch ein, die Männer folgten ein paar Tage später und bald auch die ersten zu betreuenden Seelenpflege-bedürftigen Kinder und ein Erwachsener, einige von ihnen waren wegen ihrer jüdischen Herkunft ebenfalls Flüchtlinge. Sie waren nun in einem fremden Land, konnten noch nicht Englisch sprechen, hatten aber ein bescheidenes Heim und mussten nicht hungern – es war ein schwerer, aber hoffnungsvoller Neubeginn. Auch hier wurde das mühsame, jedoch enthusiastische Aufbauen unterbrochen. Ein Jahr später, am Pfingstsonntag 1940, wurden alle Männer der Gruppe ins Unbekannte weggeholt. Später erfuhren sie, dass sie in einem Kriegsgefangenenlager interniert worden waren. Viele Monate blieben sie weg. Denn wegen ihrer deutschen Herkunft – Wien war durch den Anschluss im Deutschen Reich – waren sie «enemy aliens», feindliche Ausländer geworden. Und nur zwei Monate später war der Umzug in ein größeres Anwesen mit dem Namen Camphill geplant! Die Frauen entschieden, alles wie vorgesehen durchzuführen. Am 1. Juni 1940 sind sie mit den Kindern in das Haus in Camphill Estate in der Nähe von Aberdeen im Norden Schottlands eingezogen. Das war der Geburtstag von Camphill! Renate war damals neun Jahre alt. Sie hat sich ihr ganzes Leben lang diesem Camphill-Impuls gewidmet, hat sich mit ihm verbunden, einem Impuls, der ein würdevolles gemeinschaftliches Leben und Arbeiten mit behinderten Menschen meinte und noch viel mehr umfasste.

Karl König ging es um eine Hilfe von Mensch zu Mensch. Er sah die Heilpädagogik als eine weltweite Tätigkeit zur Heilung des inneren Menschen, um der überall entstandenen Bedrohung der Person hilfreich entgegentreten zu können. Die «Hilfe von Mensch zu Mensch – die Begegnung von Ich mit Ich – das Gewahrwerden der anderen Individualität» war ihm wichtig, ohne dabei «des Nächsten Bekenntnis, Weltanschauung und politische Bindung zu erfragen – sondern einfach das Aug’-in-Auge-Blicken zweier Persönlichkeiten». (König, Karl: Das Seelenpflege-bedürftige Kind, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 2008, S. 46) Wie solche Ideale ganz konkret umzusetzen waren, das galt es immer wieder neu herauszufinden – auch heute noch. Spirituelle Grundlagen dieses Suchens aber, des gemeinschaftlichen Lebens und Arbeitens, waren eine anthroposophische Arbeit und die Sakramente der Christengemeinschaft. Renate und ihr Mann haben all diese Impulse von Schottland aus mit nach Süd-Afrika genommen, haben sie dort etabliert oder unterstützt.

Aber zunächst erlebte Renate in den ersten Jahren im schottischen Camphill den Enthusiasmus und die Hingabe der Gründergeneration, das Ringen um eine spirituelle Grundlage, darunter auch Rückschläge, Entbehrungen und traurige Momente. Nach den Unruhen der letzten fünf Jahre kehrte nun etwas Ruhe ein, auch wenn die ersten Jahre Camphills eher turbulent und ihre Eltern mit dem Aufbau der Camphill-Gemeinschaft sehr beschäftigt waren. Ihre Spielgefährten waren die Kinder mit Behinderungen, die Kinder anderer Mitarbeitenden und auch jene Flüchtlingskinder, die wegen ihrer jüdischen Herkunft aus Deutschland fliehen mussten, auf einem der «Kindertransporte» Platz und jetzt in Camphill Aufnahme fanden. Ab dem 14. Lebensjahr wurde Renate in der Michael Hall Waldorfschule in Forest Row in England unterrichtet und wohnte im Internat. Bald darauf erlernte sie den Beruf einer Krankenschwester. Außerdem besuchte sie das Camphill Seminar, wo junge Menschen das Rüstzeug erhielten, um als Heilpädagogen und Sozialtherapeuten wirken zu können. Und sie lernte ihren späteren Ehemann Julian Sleigh kennen, der ebenfalls das Camphill Seminar besuchte.

1957 begann ihr neues Leben in Südafrika. Karl König war gefragt worden, ob dort ein Camphill gegründet werden könnte. Renate hatte immer schon eine Sehnsucht nach Afrika und fühlte sich auf afrikanischem Boden sofort zuhause. Das ist, wo sie hingehörte! Es galt, die neu gegründete Camphill-Gemeinschaft Hermanus in der Western Cape Province zu unterstützen. Gemeinsam mit Susanne und Hans Müller-Wiedemann war das für die nächsten Jahre ihre Aufgabe. Renate war ausgebildete Krankenschwester und Heilpädagogin und nahm diese neue Aufgabe mit Elan an. Ein Jahr später folgte ihr Julian Sleigh und 1959 heirateten beide. Die ersten drei Kinder – Veronica, Joan and Sonya – kamen bald auf die Welt. Julian begann 1963 mit der Ausbildung zum Priester der Christengemeinschaft in Stuttgart in Deutschland. Währenddessen zog Renate mit den Kindern nach Botton Village in den New York Moors in England, wo das erste Camphill-Dorf für Erwachsene gegründet worden war.

Nach Julians Weihe zum Priester der Christengemeinschaft kehrten 1965 wieder alle ins geliebte Südafrika zurück, nun aber galt es, das Camphill Village Alpha in Capetown – das heutige Camphill Village West Coast – aufzubauen. Sie begannen mit zwei kleinen Bauernhäusern und bauten dieses Camphilldorf für Erwachsene auf. Und zwei weitere Kinder – James und Fiona – wurden geboren. In den folgenden Jahren, nachdem die Pionierphase, in der jeder egal welche Arbeiten erledigte, war Renate als Krankenschwester zuständig für alle medizinischen Belange im Dorf, sie leitete die Weberei, organisierte das kulturelle Leben des Dorfes, besonders die Jahreszeitenfeste, sie führte ein Haus mit Seelenpflege-bedürftigen Erwachsenen, war Mutter von fünf kleinen Kindern, unterstützte Julian im Aufbau der Christengemeinschaft, und beide initiierten die anthroposophische Arbeit. Sie war die stille Heldin im Hintergrund, die unaufhörlich arbeitete und wirkte.

In den folgenden über fünf Jahrzehnten, die Renate in Cape Town in Südafrika von nun an leben und wirken durfte, war Anthroposophie weiterhin eine Grundlage, aus der sie Kraft und Inspiration für das tägliche Leben holte. Sie brachte Hingabe ins Gießen der Blumen, ins Füttern der Vögel und in die Pflege kranker Bewohner, wie in das Meditieren, in das Lesen der Texte der Ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und in das Gestalten von Jahresfesten.
Die Geschichte der Camphill-Bewegung ist auch eine Geschichte der starken Frauen, die entschieden und vor allem miteinander ihren Weg gingen, vom Einzug ins Kirkton House, dem Umzug und den ersten Monaten in Camphill bis hin zu Renate, die nach Südafrika aufbricht, neue Erde pflügt und diese fruchtbar macht. Renate Sleigh war eine dieser starken Frauen. Ihre Tochter Joan beschrieb ihren Mut, immer wieder für das einzustehen, was sie für richtig, gut und wahr hielt. Wenn dies bedeutete, sich auf eine Auseinandersetzung mit jemandem einzulassen oder für eine bestimmte Handlung einzustehen, dann konnte sie dies auch mit aller Härte tun. Sie war gleichzeitig offen für neue Ideen und bewegte besonders die Frage, wie Camphill in der Zukunft aussehen würde und hinterfragte traditionelle Wege. Bestimmt wird Renate aus der geistigen Welt weiter für die ihr ans Herz gewachsenen Aufgaben wirken.

Die heute weltweite Bewegung mit 120 Camphill-Gemeinschaften feiert in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag und hat das Leben von Millionen von Menschen berührt und beeinflusst. Und Renate ist in diesem Jubiläumsjahr am 3. Juli 2020 mit 89 Jahren gestorben, im Dezember wäre sie 90 Jahre alt geworden.