Statement zu Gewalt und Frieden in der Ukraine

Statement zu Gewalt und Frieden in der Ukraine

Vor einigen Tagen rief ein inzwischen wieder zurückgezogener Blogbeitrag eines in Deutschland ansässigen Magazins als Antwort auf den Krieg in der Ukraine zu Gewalt gegen die russische Führung auf. Von Aufrufen zu Gewalt in jeder Form distanzieren wir uns in aller Klarheit. Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung steht im völligen Widerspruch zum Auftrag und Selbstverständnis der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie.

In seinem Statement weisst Gerald Häfner, Leiter der Sozialwissenschaftlichen Sektion, darauf hin, dass durch pauschalisierende Feindbilder und eine Eskalation des Denkens und der Sprache die Gefahr besteht, in Konfliktsituationen zu einer Verschärfung des Gewaltpotentials beizutragen. Wir schliessen uns dem Aufruf zu einer bewussten dialogbereiten Haltung an, die das Ziel des Friedens in den Mittelpunkt stellt. Eine solche Haltung auch in Situationen zu leben, in denen die polarisierenden und trennenden Kräfte in Extremform auftreten, gehört zu den Grundanliegen der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie. Sie lässt sich nicht immer leicht verwirklichen. Wenn sie aber auch nur teilweise gelingt, eröffnet sie neue Möglichkeiten für eine Zukunft, die allen Menschen Teilhabe an Gesellschaft und Gemeinschaft ermöglicht. Es ist ein Kernanliegen unserer Arbeit, immer wieder erlebbar zu machen, dass Konflikte lösbar sind, selbst wenn sie zunächst ausweglos erscheinen. Dies drückt sich auch in den bekannten Worten Karl Königs aus:

Wir müßen nur die Idee der Heilpädagogik weit genug fassen, um ihrer wahren Bestimmung ansichtig zu werden … Sie will zu einer weltweiten Tätigkeit werden, um der überall entstandenen «Bedrohung der Person» hilfreich entgegenzutreten. Die «Heilpädagogische Haltung» muss in jeder sozialen Arbeit, in der Seelsorge, in der Betreuung der Alten, in der Rehabilitation der Geisteskranken wie auch der Körperbehinderten, in der Führung der Waisen und Flüchtlinge, der Selbstmordkandidaten und Verzweifelten, aber auch in der Entwicklungshilfe, im internationalen Friedenskorps und ähnlichen Bestrebungen sich zum Ausdruck bringen. Das ist die einzige Antwort, die wir heute – insofern wir noch Menschen sein wollen – einer am Abgrund tanzenden Menschheit entgegenstellen können …
Nur die Hilfe von Mensch zu Mensch – die Begegnung von Ich mit Ich – das Gewahrwerden der anderen Individualität, ohne des Nächsten Bekenntnis, Weltanschauung und politische Bildung zu erfragen – sondern einfach das Aug’ in Auge-Blicken zweier Persönlichkeiten, schafft jene Heilpädagogik, die der Bedrohung des innersten Menschseins heilend entgegentritt. Allerdings wird das nur dann wirksam sein können, wenn eine grundlegende Herzenserkenntnis dabei berücksichtigt wird.

(Aus dem Band: Das Seelenpflege-bedürftige Kind)

In diesem Sinne möchten wir Sie noch einmal auf die Möglichkeit aufmerksam machen, auf dem Weg des zivilgesellschaftlichen Engagements – unter anderem auch mittels der Netzwerke innerhalb der anthroposophischen Bewegung – diese Unterstützung von Mensch zu Mensch wirksam werden zu lassen. Unmittelbar im Kontext der weltweiten Bewegung für Waldorfpädagogik und anthroposophische Heilpädagogik können Sie dies beispielsweise über die Kampagne der Freunde der Erziehungskunst tun.

Jan Göschel, Bart Vanmechelen, Sonja Zausch
Leitungsteam

(Bild: Pusteblume aus Metall, Kunstwerk im Park in Charkiw, Foto: Sonja Zausch | 2019)